[#BuchDate Rezension] Marc Elsberg: Blackout – Morgen ist es zu spät

An einem kalten Februartag brechen in Europa alle Stromnetze zusammen. Der totale Blackout. Der italienische Informatiker Piero Manzano vermutet einen Hackerangriff und versucht, die Behörden zu warnen – erfolglos. Als Europol-Kommissar Bollard ihm endlich zuhört, tauchen in Manzanos Computer dubiose Emails auf, die den Verdacht auf ihn selbst lenken. Er ist ins Visier eines Gegners geraten, der ebenso raffiniert wie gnadenlos ist. Unterdessen liegt ganz Europa im Dunkeln, und der Kampf ums Überleben beginnt… (Inhaltsangabe: Blanvalet)

Diese Rezension erscheint im Rahmen des Buch-Dates, einer Aktion von Zeilenende und Wortgeflumselkritzelkram. Ich selbst erhielt 3 Empfehlungen von Zeilenende höchstpersönlich – nachdem ich zunächst „Haus ohne Hüter“ begonnen habe, wurde dann doch „Blackout“ mein Date. Warum? Weil ich für „Haus ohne Hüter“ einfach mehr Zeit brauche. Viel mehr Zeit. „Blackout“ war aber keinesfalls ein Fehlgriff, im Gegenteil. Aber lest selbst!

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Marc Elsberg, in Wien geboren, war Strategieberater und Kreativdirektor für Werbung in Wien und Hamburg sowie Kolumnist der österreichischen Tageszeitung „Der Standard„. Bereits im Jahre 2000 veröffentlichte er seinen ersten Roman „Saubermann„, damals noch unter seinem bürgerlichen Namen Marc Rafelsberger. Der Durchbruch gelang ihm mit „Blackout“ im Jahre 2012. Ihm folgten „Zero“ (2014) und „Helix“ (2016) nach. Sowohl „Blackout“ als auch „Zero“ wurden von „Bild der Wissenschaft“ als Wissensbuch des Jahres in der Rubrik Unterhaltung ausgezeichnet.

Was würdest du tun, wenn plötzlich der Strom weg wäre?

Kleinere Stromausfälle kennt wahrscheinlich jeder. Ab und an wird es eben dunkel, das Handy lädt nicht mehr, der Laptop Akku wird langsam leer, aber an sich nützt der Laptop ohne funktionierendes Internet so und so nicht viel. Das Telefon ist tot, das Licht geht nicht mehr, im Kühlschrank ist es zwar dunkel, doch wenigstens – vorausgesetzt man lässt die Tür geschlossen – noch kalt genug.

Gern hätte er Europa jetzt aus der internationalen Weltraumstation ISS gesehen. Wo sonst die feinen Adern und leuchtenden Knoten des Lichtsystems bis ins All strahlten, musste über weiten Flächen Dunkelheit liegen.
Marc Elsberg: Blackout, Seite 68

Meist gehen diese Episoden schnell vorbei, oder der Notstrom der Stromanbieter wird zugeschalten. Oftmals passieren solche Ausfälle mitten in der Nacht – wer nicht gerade wach ist, arbeitet oder draußen unterwegs ist, bekommt davon in der Regel nichts mit.

Doch was ist, wenn der Strom nicht zurück kommt? Was ist, wenn die Ausfälle über Tage anhalten, und nicht nur einzelne Gebiete, sondern das ganze Land – oder, wie bei Marc Elsberg, ganz Europa – betreffen?

Dystopie? Thriller? Wissenschaftsroman?

So ganz sicher ist die Einordnung von „Blackout“ nicht, hat der Roman doch von allem etwas zu bieten: düstere Zukunftsvisionen, wissenschaftliche und technische Details, ein wenig Spannung hier und da. Ein wenig? Ja, denn so ein richtiger Thriller, der einem die Luft zum atmen nimmt und einen nicht mehr loslässt, ist „Blackout“ meiner Meinung nach eher nicht.

Diese sprachlose Gesellschaft, die keine mehr war, weil ihr die Gemeinsamkeiten abhandengekommen waren, in ihrer verzweifelten Sucht nach Betäubung durch immer mehr, durch ewiges Wachstum, war am Ende ihres Weges angelangt.
Marc Elsberg: Blackout, Seite 492

Stattdessen liefert Marc Elsberg hier ein grandios recherchiertes Was-wäre-wenn-Szenario, das mir persönlich den einen oder anderen Schauer über den Rücken gejagt hat, wann immer ich mich auf die Situation eingelassen habe. Denn erschreckend ist die Vorstellung, plötzlich quasi den Motor hinter unserer Gesellschaft zu verlieren, auf jeden Fall. Vielleicht – nein, eigentlich nicht vielleicht – sind wir Europäer einfach auch zu verwöhnt. Fließendes Wasser, 24 Stunden Strom, Internet, Telefon, Autos, Benzin in Hülle und Fülle, Ampeln, Leuchtreklamen, Straßenlaternen – all das ist selbstverständlich für uns. Wir machen uns gar keine Gedanken darüber, was wir tun würden, wenn diese Selbstverständlichkeit plötzlich über Nacht verschwindet.

Und die Realität?

Elsberg erörtert in „Blackout“ das gesamte Spektrum der Folgen eines Stromausfalls, sowohl auf gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, als auch menschlicher Ebene, und geht auch kurz auf eine Studie des Bundestages ein, die sich tatsächlich mit dem Thema befasst: Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung (Link). Doch an der Bevölkerung gehen solche Studien oft vorbei. Oder werden nicht ernst genommen. „Uns passiert das doch nicht!“ – Ein Standardargument. Oder hält sich jemand an die Empfehlungen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, welches sogar eine Checkliste für den Ernstfall anbietet?

Ihre Rufe wurden nicht leiser. Im Gegenteil, sie schienen an Wucht zuzunehmen. Wie Wellen von stürmischer See, die den Gewittersturm ankündigten, ein um das andere Mal an die Klippen brandeten, jedes Mal höher, tosender.
Marc Elsberg: Blackout, Seite 635

Fakt ist: „Blackout“ hat mich zum Nachdenken gebracht. Dazu, meinem Umfeld und den Selbstverständlichkeiten wie Strom und Wasser mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Schaden kann es nicht.

Zwar hat „Blackout“ ein paar Schwächen – viele verschiedene Handlungsorte und -stränge, die es schwer machen, den einzelnen Personen zu folgen, teilweise eher farblos bleibende Charaktere und eine Menge Fakten, die mich persönlich nicht gestört haben, im Gegenteil, aber so manch anderen Lesern, die einen schnellen und leichten Roman erwarten, vielleicht etwas negativ aufstoßen könnten. Letztendlich aber wurde „Blackout“ nicht umsonst u.a. von „Bild der Wissenschaft“ ausgezeichnet und ist ein interessantes literarisches Experiment, welches definitiv zum Nachdenken anregt. Ich habe das Lesen nicht bereut.

Blackout: Morgen ist es zu spät von Marc Elsberg
800 Seiten (Taschenbuch)
Verlag: Blanvalet
Erschienen: Juni 2013 (Erst-VÖ: März 2012)
ISBN: 978-3-442-38029-9

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8 Gedanken zu “[#BuchDate Rezension] Marc Elsberg: Blackout – Morgen ist es zu spät

  1. Das habe ich im Winter gelesen und fand die Vorstellung, einige Tage ohne Strom zu sein, zuerst angenehm und dann immer gruseliger. Aber obwohl alles sehr realistisch und gar nicht so sehr weit weg scheint, haben auch wir keinerlei Maßnahmen ergriffen um uns zu schützen… 😦

  2. Japp … Elsberg kann keine Figuren … Das hast du zwar charmanter gesagt, aber so ist es. Schön, dass es dich dennoch nicht gestört hat und dir das Buch ebenso viel Freude bereitet hat wie mir.
    Was das verwöhnt angeht: Vielleicht. Das Problem ist aber auch, dass wir auf diese Verwöhntheit eingestellt sind. Selbst wenn wir ohne Strom auskommen wollten, könnten wir es nicht, weil unsere gesamte Infrastruktur auf Strom angewiesen ist. Das unterscheidet uns von Regionen, in denen Stromausfälle Alltag sind. Da gibt es dann eben keine elektrisch betriebenen Türen.

  3. Vielen Dank für diese Rezension! Marc Elsberg hat mit Blackout einen hervorragenden Thriller geschrieben, der einem die Augen öffnet, wie verwundbar unsere hochtechnisierte Welt inzwischen geworden ist. Wer diese Art Literatur unbeschadet verkraftet, sollte auch dieses Buch gelesen haben:

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