[Verlagsvorschau] Meine Highlights im Herbst 2018 | Werbung |

Eigentlich wollte ich mich dieses Jahr gar nicht mit den Vorschauen beschäftigen, doch tatsächlich auf Dauer der Sucht und der Versuchung entsagen gelingt dann doch nicht. Allerdings ist mein Blick in diesem Jahr recht kritisch ausgefallen und obwohl mich einige Bücher interessieren, haben es nur wenige auf meine Wunschliste geschafft.

Was mir persönlich aufgefallen ist? Mein Leseinteresse hat sich geändert. Mich sprechen inzwischen andere Romane an, als das noch bei meinem letzten Streifzug durch die Vorschauwelten der Fall war. Auch die vertretenen Verlage haben sich geändert und in ihrem Verhältnis untereinander verschoben. Wonach ich suche? Außergewöhnliches, spezielles, tiefschürfendes, berührendes, eben anders Lesematerial, das irgendwie einen Nerv trifft. Doch gehen wir einmal ins Detail.


Bereits noch in den Sommermonaten Juli und August erscheinen ein paar Werke, die ihren Weg auf meinen Wunschzettel gefunden haben. In Und jeden Morgen das Meer von Karl-Heinz Ott (Hanser, August) reist eine frisch gebackene Witwe vom Bodensee ins verregnete Wales, wo der Roman seinen brillant-bissigen Ton entfaltet. Ganz andere Töne schlägt da Asymmetrie von Lisa Halliday an (Hanser, Juli) – eine mit Tabus behaftete Liebesgeschichte, ein amerikanisch-irakischer Doktorand auf dem Weg nach Nahost. Als kühn wird dieser Roman betitelt, und trifft somit einen Nerv. Das Menschliche im Auge hat auch das nächste Buch auf meiner Liste, Die Hochhausspringerin von Julia von Lucadou (Hanser, Juli). Hier muss der Mensch funktionieren und perfekt sein, doch was passiert, wenn man nicht mehr perfekt sein kann? Von der Selbstfindung eines jungen Mädchens in einer Welt, die fast schon apokalyptisch erscheint, erzählt Bungalow von Helene Hegemann (Hanser, August). Das extrem scheinende Klassendenken ist hier ein besonderer Reiz für mich.

In Die auffällige Merkwürdigkeit des Lebens von Augustin Erba (Ullstein, August) darf der Leser dem Leben von Amadeus folgen, Sohn eines Atomphysikers und einer ungarischen Prinzessin, der versucht seine Kindheit im Schreiben zu verarbeiten und immer mehr zum Neurotiker wird. Klingt ganz nach meinem Geschmack. In Troll entführt Michael Hvorecky (Tropen, August) in ein Osteuropa in naher Zukunft, in dem das Internet von Trollen beherrscht wird, die kommentieren und hetzen. Zwei Freunde versuchen das diktatorische System aus Fehlinformationen von Innen heraus zu zerstören. Sagen voller Magie sind verwurzelt in einer Familiengeschichte, die Morten Ramsland in Die Legende vom goldenen Ei (Schöffling & Co, August) erzählt. Großvater erzählt – ein Konzept, das mich in diesem Fall wirklich sehr anspricht. IS, türkisch-syrische Grenze, ein Journalist aus Istanbul – das sind die wesentlichen Eckpunkte zu Unruhe von Zülfü Livaneli (Klett-Cotta, Juli), der gezwungen war aufgrund seiner Ansichten die Türkei zu verlassen. Viel hochaktueller Zündstoff also.

Unser großes Album elektrischer Tage von Johanna Maxl (Matthes & Seitz, August) wirbt mit einer eigenwillig in Szene gesetzten Sprache vor einem Hintergrund von Gewalt, Feminismus, Verschwinden, Finden, Slums. Anders und ein Debüt, das hoffentlich zu recht Aufmerksamkeit verdient. In eine mehr als erschreckende Welt entführt Vox von Christina Dalcher (S. Fischer Verlage, August). Hier ist es Frauen verboten, mehr als hundert Wörter am Tag zu sprechen. Doch die neue Regierung versucht die Recht von Frauen immer mehr einzudämmen. Aktueller denn je, und dank dem Erfolg von The Handmaid’s Tale als TV-Serie definitiv ein kluger Schachzug. Wir schwimmen weiter, und entdecken Leihmütter, ganz Fair Trade und Bio, in Das Weiße Schloss von Christian Dittloff (Piper, August). Elternschaft ist ein Beruf, wird gelenkt, kontrolliert, überwacht. Ein interessanter Blick auf Rollenbilder und traditionelle Ansichten – und auf die Möglichkeiten der Zukunft. Ganz andere Töne, aber ebenfalls brandaktuell, schlägt Helden der Nacht von Karl Wolfgang Flender (Dumont, August) an. Hier werden keine Banken ausgeraubt, sondern Nutzerdaten gestohlen – und Oldschool-Detektive, Zyniker und Träumer sind mitten drin. Klingt skurril, aber gut!


Die richtigen Herbstmonate werden heiß! Süßer Ernst von A.I. Kennedy (Hanser, November) hatte mich schon mit dem Staatsdiener der britischen Regierung, der Liebesbriefe schreibt um mit dem unmoralischen Handeln umzugehen, welches sein Job erfordert. Klingt traurig und skurril zugleich. Georgien ist Gastland der Frankfurter Buchmesse 2018, daher macht sich ein moderner Klassiker der georgischen Literatur wie Das erste Gewand von Guram Dotschanaschwili (Hanser, September) perfekt auf der Wunschliste. Liebe, Freiheit und die Tatsache, dass dieses Buch zu den meistgelesenen Büchern in Georgien gehört, machen mich neugierig. Den Himmel stürmen von Paolo Giordano (Rowohlt, Oktober) dagegen ist ein muss. Seit den Primzahlen liebe ich Giordano abgöttisch. Ein Buch, mit dem ich nichts falsch machen kann. In Hysteria von Eckhart Nickel (Piper, September) werden merkwürdig unnatürliche Himbeeren auf dem Biomarkt zum Aufhänger für eine kulinarische Dystopie. Klingt skurril, und ist es hoffentlich auch!

Wenn etwas verloren und verschwunden ist, hinterlässt es denn Spuren? Dies steht im Fokus von Verzeichnis einiger Verluste von Judith Schalansky (Suhrkamp, November) in dem die Protagonisten Figuren im Abseits sind, die der Vergänglichkeit den Kampf angesagt haben, und eine Brücke schlagen von Sappho bis zur Moderne. Modern ist auch Kreuzzug mit Hund von Nora Bossong (Suhrkamp, November). In ihrem Gedichtband reist Bossong von Deutschland bis ins Heilige Land selbst. Vergangenheit trifft Gegenwart, und das in Form von Gedichten! Klingt gut. Trinken, Trauer und Wut zweier Brüder sind Thema in Die Überwindung der Schwerkraft von Heinz Helle (Suhrkamp, September), der mich bereits als Autor begeistern konnte. Helle hat eine ganz eigene Art zu Erzählen; ich verspreche mir daher ungemein viel von diesem Roman. Ein Experiment dagegen wird der Metaroman Nach dem Gedächtnis von Maria Stepanova (Suhrkamp, September), die mit diversen Erinnerungsfetzen der verschiedensten Familienmitglieder ein wahres Panorama zu zeichnen versucht. Anspruchsvoll und hoffentlich gut.

Die Geflüchteten von Viet Thanh Nguyen (Blessing, Oktober) hat ein mehr als aktuelles Thema im Zentrum seiner Handlung, jedoch bewegt sich der Roman in den späten Siebzigern in einer Schwulen-WG. Sehnsüchte, Kulturclash, und die Suche nach der eigenen Identität. Historisch geht es weiter mit Die Friedensmaschine von Özgür Mumcu (btb, Oktober). Angesiedelt in Istanbul 1914, kurz vor Kriegsausbruch, stellt sich der Autor die Frage, ob dieser Konflikt vermeidbar wäre – mit einer Maschine, die das Denken der Menschen beeinflusst. Ähnlich futuristisch geht es in Kallocain von Karin Boye (btb, September) weiter. Hier bringt eine Wahrheitsdroge dem Erfinder Ruhm und Ehre – bis er selbst in Zweifel verfällt. In Die Unbeugsame von Carmela Scotti (Goldmann, Oktober) kämpft ein junges Mädchen in Sizilien nach dem Tod ihres Vaters mit Anfeindungen und Missbrauch – und ergreift die Flucht.

Ein junges Mädchen, das mit ihrem von einer besitzergreifenden Liebe geplagten Vater abgeschieden im Wald lebt ist die Protagonisten in Mein Ein und Alles von Gabriel Tallent (Penguin, September). Die Freundschaft mit einem Jungen hilft ihr, eine Befreiung vom Vater anzustreben. Eine Welt im Umbruch und zwölf Erzählungen verschiedenster Menschen sind das zentrale Thema in Die Zähmung der Tiere von Ada Dorian (Ullstein fünf, Oktober). Mit der Türkei und deren politischer Lage als Hintergrund ein mehr als interessanter Ansatz. Eine junge Angestellte in Nordkorea und ein Künstler aus der Normandie begegnen sich in Ein Winter in Sokcho von Elisa Shua Dusapin (Blumenbar, September). Gespräche, Gestrandete, Neuanfänge, die Suche nach sich selbst. Solche Bücher sind es, die mich immer wieder faszinieren. Mit Der letzte meiner Art von Lukas Lindner (Kein & Aber) schließt eine mehr als skurrile Familiengeschichte den Kreis. Dekadent, ja, aber der Vater umnachtet, die Mutter abgedreht, der Bruder genial, Alfred die enttäuschende Pointe. Ein Muss.


Mit insgesamt 28 Büchern mag diese Liste umfangreich wirken, jedoch habe ich tatsächlich enorm aussortiert. Ich werde mir bei aller Liebe auch nicht alle Bücher zu Gemüte führen, doch eine kleine Auswahl der hier vorgestellten Werke wird bestimmt den Weg in mein Regal, und hoffentlich auch im Rahmen einer Besprechung auf meinen Blog finden.

Habt ihr euch schon durch die Vorschauen gewühlt? Welche Bücher haben es euch besonders angetan?

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