THIRTEEN REASONS WHY / TOTE MÄDCHEN LÜGEN NICHT
Worum es in Thirteen Reasons Why (dt. Tote Mädchen lügen nicht) geht, ist schnell geklärt.
Nach dem verblüffenden Selbstmord einer Teenagerin (Hannah) kommt ein Mitschüler (Clay) in den Besitz von Kassetten, die das Rätsel um ihren tragischen Entschluss lösen könnten.
Netflix adaptierte das Buch von Jay Asher in 13 jeweils 50+ Minuten langen Episoden. Und nun stellt sich wieder einmal die altbewährte Frage: Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei? … Nein, ernsthaft jetzt. Was ist besser? Buch oder Bildschirmadaption?
Ich selbst habe mir Anfang April nicht nur die Serie angeschaut, sondern gleichzeitig ebenfalls das Buch gelesen. Ein direkter Vergleich sozusagen. Und ich habe meine Schlüsse gezogen. Denn natürlich gibt es deutliche Unterschiede zwischen Buch und TV-Serie. Ob diese nun gut oder schlecht sind, erfahrt ihr gleich. ^^
Für mein Urteil und einige leichte Spoiler, einfach nach dem Cut weiterlesen.
Der zeitliche Ablauf
Im Buch braucht Hauptcharakter Clay gerade einmal eine Nacht, um sich durch alle Kassetten von Hannah zu hören. In der TV-Serie wurde dieser Prozess in die Länge gezogen, durchschnittlich benötigt Clay hier mindestens einen Tag pro Tape. Finde ich persönlich aber – gerade wenn man auch die Länge der einzelnen Folgen betrachtet – gut gelöst.
Point of View
Im Buch wird ganz klar aus Clays Sichtweise erzählt. Alles was er erlebt und weiß, bekommt der Leser mit. Alles andere bleibt auf der Strecke. In der TV-Serie steht zwar immer noch Clay im Mittelpunkt, jedoch wird die Handlung auf die anderen Charaktere ausgedehnt, und gibt somit auch den Nebencharakteren, die im Buch oft nur kurz erwähnt werden, durch eigene kleine Handlungsstränge mehr Tiefe.
Der moderne Touch
Kassetten waren schon zum Erscheinungstermin des Buches eher auf dem absteigenden Ast. Jetzt, Jahre später, sogar noch mehr. Ein Pluspunkt hier auf jeden Fall für die TV-Adaption, die diese Antiquität in der Handlung belassen hat. Ansonsten ist der Touch der Serie zeitgemäß wie es besser nicht sein könnte: Smartphones, Facebook, Gruppennachrichten, Chats, Mails, Fotos und und und. Dinge, die 2007 einfach noch nicht so „in“ waren. Und natürlich ist gerade auch der Part Cyberbullying aktuell wie nie. Nebenbei sind die Teenager im TV auch alle etwas, sagen wir mal, typisch Teenager eben. Wie man es so kennt und wie es in der Vorstellung verankert ist. Gras, Parties, Sex, das allseits beliebte F-Wort usw. Allerdings ohne zu überzogen zu wirken. Definitiv ein Pluspunkt.
Olly Olly Oxen Free
Oder doch nicht? Das Motto, welches Hannah und ihre Freunde im Café Monet’s nutzen, wird in der Serie auf FML abgeändert. Die Moderne schlägt wieder zu. Kann man machen, muss man aber nicht.
Die Eltern und die Klage
Im Buch bleiben die Eltern von Hannah, aber auch die der anderen Teenager, fast vollständig auf der Strecke. Die Serie dagegen beleuchtet gerade auch Clays Familie, sowie die Eltern von Hannah in jeder Folge. Gerade auch da der zeitliche Ablauf für die Serie geändert wurde, ein notwendiger Schritt. Zusätzlich wird der ganzen Handlung noch einmal Tiefe verliehen, vor allem auch durch die Klage, die Hannahs Eltern gegen die Schule anstreben – und die Rolle, die Clays Mutter darin spielt. Aber zu viel will ich auch nicht verraten.
Die Nebencharaktere – Justei, Alex, Marcus, Zach, Courtney, Tyler and so on
Hier wurden tatsächlich so einige Änderung eingeführt, die aber definitiv ein Sprung zum positiven sind! So werden die Familien und das Privatleben von Hannahs „Gründen“ tiefer beleuchtet. Die Charaktere bleiben also nicht nur bloße Namen. Sie bekommen mehr als nur eine kleine Episode, tauchen immer wieder auf, wollen Clay sogar davon abhalten die Tapes zu hören. Und jeder von ihnen hat so seine kleinen Geheimnisse, seine eigene Last zu tragen. Für das Drama richtig gut gelöst! Da ist es auch egal, das der Name der Cheerleaderin aus dem Buch von Jenny zu Sheri geändert wurde. Oh, und vergessen wir nicht Jeff. Jeff ist großartig. Und Tony. Und überhaupt. Hach ja. Anschauen, Leute. Anschauen.
Hannah und Clay – Clay und Hannah
Im Buch sind Hannah und Clay Bekannte und abgesehen von einer kurzen Unterhaltung lief nicht viel. In der Serie reden Hannah und Clay viel. Sie arbeiten zusammen, sie scherzen zusammen, teilen Erinnerungen. Dies führt zwangsläufig zu einigen wundervollen und ein wenig schmerzhaften Flashbacks und Was-wäre-wenn-Szenarios, denn im Gegensatz zum Buch-Clay verliert sich Serien-Clay in kleinen Visionen und Episoden von Wunschdenken. Dramatisch genial gelöst, das muss man zugeben. Und vielleicht auch eine Variante um zu begründen, warum Serien-Clay einen auf Rächer macht. Aber dazu müsst ihr schon die Serie schauen.
Der „harte Tobak“
Es gibt so einige Szenen im Buch, die angedeutet oder beschrieben werden, und die nichts für leichte Gemüter sind. So auch in der Serie. Hier natürlich um einiges grafischer, aber ohne über die Grenzen zu gehen. Denn solche Themen anzusprechen ist gut und richtig und wichtig, und die Art und Weise, wie die Charaktere mit diesen Situationen umgehen, mag vielleicht nicht die Ideallösung sein, die man sich im Happy-End-Land so wünscht, aber doch glaubhaft und echt. Und die Wahrheit tut weh. Seien es die Szenen auf den Parties, oder letztendlich die, in der Hannah ihr Leben beendet (das „Wie“ wurde übrigens auch abgeändert). Sie sind nicht schön, sie tun weh, aber sie rütteln auch auf! Passender Weise wird bei den betreffenden Folgen auch auf den „harten Tobak“ hingewiesen. Gute Entscheidung.
Die Reihenfolge der Kassetten und das Ende
Für die Zwecke der Dramatik wurde die Reihenfolge der einzelnen Kassetten in der Serie abgeändert. Und das war meiner Meinung nach eine richtig gute Entscheidung. In der Buchvorlage sendet Clay die Tapes einfach weiter, ihr Schicksal bleibt ungeklärt. Aus den Augen, aus dem Sinn, quasi. In der Serie wird die Weitergabe der Tapes zum dramatischen Showdown und war, für mich persönlich, eine der besten Szenen der ganzen Serie. Folge 13 hat es also in sich, liebe Freunde.
Fazit – Pro und Kontra – Was ist denn nun besser, Buch oder Serie?
Ich muss ehrlich zugeben, und bitte schlagt mich jetzt nicht, aber mich hat die Serie letztendlich mehr bei der Stange gehalten als das Buch. Das Buch ist deswegen keinesfalls schlecht, aber mir fehlt Tiefe. Tiefe, die die Serienvariante tatsächlich bietet, mit ihren zusätzlichen Handlungssträngen, der Art, wie Clay mit dem was er hört umgeht, den Einblicken in das Leben der anderen Charaktere. Die Serie zeigt deutlich, dass nicht alles nur gut oder schlecht ist. Stattdessen leuchtet sie die Grauzonen aus, und macht sogar solche Charaktere sympathisch, die man eigentlich, wenn man bedenkt für was sie letztendlich verantwortlich sind, hassen müsst. Okay, einige hasst man tatsächlich. Zutiefst. Grrr. Trotzdem. Die serientechnische Umsetzung von Thirteen Reasons Why ist definitiv mehr als gelungen. Anders als das Buch, aber wirklich gelungen.