[Rezension] David Foster Wallace: Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur Üblen Sache (OT: The Planet Trillaphon As It Stands In Relation To The Bad Thing)

der planet trillaphonDer damals 22-jährige David Foster Wallace erzählt über einen Studenten, der an Depressionen erkrankt ist. Die starken Medikamente haben ihn auf einen anderen Planeten geschossen, doch scheint ein Leben dort immer noch das kleinere Übel – einen Weg zurück auf die Erde wird es niemals geben. Eine schmerzhafte Erzählung, die die Krankheit in ihrer ganzen monströsen Ausweglosigkeit beschreibt und für Nichterkrankte verstehbar macht.
(Inhaltsangabe: Kiepenheuer & Witsch)

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Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur Üblen Sache“ erschien 1984 in einer Studentenzeitschrift und ist eines der ersten Werke des amerikanischen Schriftstellers David Foster Wallace – dessen Werke man entweder liebt oder ignoriert, aber definitiv diskutiert. Im Alter von 46 Jahren, im September 2008, erlag der Autor von „Unendlicher Spaß“ seinen eigenen Depressionen und beging Selbstmord.

In seiner nicht direkt biographischen aber durchaus sehr persönlichen Erzählung lässt Wallace einen jungen Studenten von seinen starken Depressionen berichten.  Als „troubled little soldier“ führt der Protagonist einen nahezu ausweglosen Kampf, der letztendlich – nach einer Episode in der Elektrogeräte und eine Badewanne eine Rolle spielen – im Krankenhaus endet.

Unser Erzähler kommt in Behandlung und stellt fest, dass Antidepressiva im Vergleich zu den damaligen Methoden wie Elektroschocktherapie durchaus eine Alternative sind, die „ganz okay“ ist. Ganz okay, ja, aber wie okay, das beschreibt Wallace sehr treffend. Angelehnt an den Namen seines Antidepressivums Tofranil und um Worte zu finden für den Zustand, in den solche Medikamente die Betroffenen versetzen können, findet Wallace Protagonist den Begriff „Planet Trillaphon“ – eine fremde Welt, nicht mehr die Erde selbst sondern ein anderer Planet.

Allem in dir wird übel, und alles Gute verschwindet aus der Welt wie die Luft aus einem kaputten Luftballon. In der Welt, wie du sie kennst, gibt es nur noch scheußlichen Gestank, traurige, verzerrte und entsetzliche Pastellbilder, scheppernde oder todtraurige Geräusche, unerträglich andauernde Situationen, die zu einem Kontinuum aufgefädelt werden, das einfach kein Ende nimmt.
(Seite 29)

Wallace beschreibt die Depressionen hier als Üble Sache und versucht als Betroffener Worte zu finden, um auch denen, die nicht unter dieser Krankheit leiden beschreiben zu können, was sie mit einem anstellt. Nach eigenen Aussagen fanden sich bei Wallace selbst schon im Alter von zehn Jahren erste depressive Stimmung sowie pathologische Angst – sich vorzustellen, damit ein ganzes Leben zu verbringen, kann man nur schwer. Und in den meisten fällen gar nicht.

Depressionen sind so viel mehr als „nur“ das Gefühl von intensiver Traurigkeit, das über kurz oder lang schwächer wird bis es gänzlich verschwindet. Sie sind unkalkulierbar, ein einziger großer Flächenbrand, der das gesamte Denken und die gesamte Gefühlswelt beeinflusst, es brodelt und brennt „wie Maden in deinem Hirn“. Eine Krankheit, die den Betroffenen manchmal nur einen Ausweg sehen lässt.

Ich weiß nicht, ob dieser Unterwasservergleich es trifft, aber wenn du dir den Augenblick vorzustellen versuchst, in dem dir klar wird, in dem dir schlagartig aufgeht, dass es keine Oberfläche für dich gibt, dass du ertrinken wirst, egal in welche Richtung du schwimmst; wenn du dir vorzustellen versuchst, wie du dich in genau diesem Augenblick fühlst […] und wenn du dir dann vorzustellen versuchst, dass sich dieses entzückende Gefühl des Erstickens über Stunden, Tage, Monate hinzieht …
(Seite 25)

David Foster Wallace Text mag über 30 Jahre alt sein, doch das Thema Depression ist mehr als aktuell, denn immer noch haben Betroffene unter Vorurteilen zu leiden, wo doch eine Situation, in der sich dein eigenes Denken gegen dich wendet, mehr als ernst genommen werden sollte.

Wallace findet in „Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur Üblen Sache“ radikale, aber beeindruckende Worte, um vielleicht ein bisschen mehr Verständnis für diese Art von Erkrankung zu schaffen, gerade auch weil das Buch, trotz der nur geringen Lesezeit, die man für die Erzählung benötigt, einen tiefen Eindruck hinterlässt.

Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur Üblen Sache / The Planet Trillaphon as it stands in Relation to the Bad Thing von David Foster Wallace
Zweisprachige Ausgabe
Übersetzung: Ulrich Blumenbach
122 Seiten (Taschenbuch)
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erschienen: April 2015
ISBN: 978-3-462-04749-3

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