[Rezension] David Foster Wallace: Das hier ist Wasser (OT: This is Water)

das hier ist wasserDavid Foster Wallace wurde 2005 darum gebeten, vor Absolventen des Kenyon College eine Abschlussrede zu halten. Diese berühmt gewordene Rede gilt in den USA mittlerweile als Klassiker und Pflichtlektüre für alle Abschlussklassen – eine kleine Anleitung für das Leben, die man jedem Hochschulabsolventen und jedem Jugendlichen mit auf den Weg geben möchte.

Was bedeutet es eigentlich, erwachsen zu sein, und wie können Menschen ihre Standardeinstellung, dass sich alles im Leben erst mal um sie selbst dreht, durchbrechen, um ein sinnvolleres und stressfreieres Dasein zu führen? David Foster Wallace zeigt in dieser kurzen Rede mit einfachen Worten, was es heißt, Denken zu lernen und erwachsen zu sein.
(Inhaltsangabe: Kiepenheuer & Witsch)

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David Foster Wallace, Jahrgang 1962, wird immer noch als einer der einflussreichsten und innovativsten amerikanischen Schriftsteller gehandelt. Schrieb er nicht selbst, so lehrte er seit 2002 am Pomona College in Claremont, Kalifornien, als Professor für englische Literatur und Creative Writing. Sein Roman „Unendlicher Spaß“ (Infinite Jest) wird vom Time Magazine als einer der wichtigsten zwischen 1923 und 2005 erschienenen englischsprachigen Romane gezählt. Im September 2005 nahm sich David Foster Wallace das Leben.

Das hier ist Wasser“ ist das Transkript einer von David Foster Wallace gehaltenen Abschlussrede vor den Absolventen des Kenyon College – und die einzige Rede dieser Art von ihm.

Doch im Gegensatz zu so manch einem Abschlussredner vor ihm, geht Wallace mit einem komplett anderen Blickwinkel an die Situation heran. Statt optimistischen Worten, gibt er den Absolventen eine „Anstiftung zum Denken“ mit auf den Weg, führt ihnen den Alltag vor Augen, der sie nach der Ausbildung erwartet: Routine, Eintönigkeit, das stetige Streben nach Geld, Macht und Erfolg. Die harte Realität. Und gleichzeitig eine Möglichkeit, um aus diesen festgefahrenen Mustern ausbrechen zu können.

Schüler und Studenten sollen an Schulen und Universitäten das „Denken beigebracht“ bekommen. Doch der Mensch als Gewohnheitstier ist festgefahren in bestimmten Denkmustern, und gerade hier liegt in Wallace Augen das Problem. Der Mensch sieht sich selbst als Mittelpunkt – eine fest verankerte Standardeinstellung – und alles dreht sich nur um einen selbst. Die Umgebung und die Mitmenschen bleiben dabei oft auf der Strecke.

Wie gelingt einem ein angenehmes, gut situiertes und respektables Erwachsenendasein, ohne dass man tot, gedankenlos und tagein, tagaus ein Sklave des eigenen Kopfes und der angeborenen Standardeinstellung wird, die vorgibt, dass man vor allem total auf sich allein gestellt ist?
(Seite 19)

Wie oft stehen wir an der Supermarktkasse und fühlen uns schlecht behandelt, weil keine weitere Kasse geöffnet wird, obwohl wir doch so im Stress sind und es eilig haben. Den Gedanken, dass es den Menschen um uns herum, die ebenfalls warten müssen, genauso gehen könnte, erlauben wir uns nur selten.

Genervt zu sein und sich im Recht zu fühlen, ist viel leichter, als die Situation von einem anderen Blickwinkel aus zu betrachten und Mitgefühl und echtes Verständnis zu zeigen.

„Denken lernen“ ist für Wallace Kontrolle über die eigenen Gedanken ausüben zu können, sein Denkmuster bewusst zu ändern und zu entscheiden, wie wir die Dinge eigentlich selbst sehen wollen. Wer immer nur die negativen Seiten in Betracht zieht und in seiner Ich-Bezogenheit versinkt, dem wird es wohl kaum gelingen seinen Mitmenschen Achtsamkeit und Beachtung entgegenzubringen. Was sich am Ende negativ auf das eigene Leben, das eigene Glücksgefühl, ausüben wird.

„Selber denken lernen“ heißt in Wirklichkeit zu lernen, wie man über das Wie und Was des eigenen Denkens eine gewisse Kontrolle ausübt. Es heißt, selbstbewusst und aufmerksam genug zu sein, um sich zu entscheiden, worauf man achtet, und sich zu entscheiden, wie man aus Erfahrungen Sinn konstruiert. Denn wenn Sie als Erwachsene diese Entscheidung nicht treffen wollen oder können, sind Sie angeschmiert.
(Seite 18)

Ohne den Moralapostel spielen zu wollen, erläutert Wallace warum es so viel wichtiger ist entscheiden zu können, worüber es sich zu denken lohnt, als die simple Fähigkeit des Denkens an sich zu besitzen, und macht „Das hier ist Wasser“ zu einem Buch, das nicht nur Schüler und Studenten betrifft, sondern jedem den einen oder anderen Denkanstoß vermittelt.

Das hier ist Wasser/This is Water von David Foster Wallace
Zweisprachige Ausgabe
Übersetzung: Ulrich Blumenbach
64 Seiten (Taschenbuch)
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erschienen: Mai 2012
ISBN: 978-3-462-04418-8

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